
Besuch einer Perlenfarm
Nach einer knappen Woche vor Anker an diesem paradiesischen Fleckchen zieht es uns zurück nach Rikitea. Zum einen wollen wir unsere Vorräte aufstocken, außerdem möchten wir gerne eine Perlfarm besichtigen. Freitagmorgen treffen wir uns mit Mohea, die uns und noch einige andere Gäste mit ihrem Pickup auf die nördliche Seite Mangarevas bringt. Dort wartet am Ufer ein Arbeitsboot der Perlfarm auf unsere Gruppe von rund 8 Gästen. Schon die Autofahrt war ein Erlebnis, es geht über den bergigen Inselrücken und wir bekommen so noch mal einen anderen Eindruck des sehr grünen Inselinneren. Die Bucht vor der nördlichen Küste ist relativ flach und sehr geschützt und leuchtet an diesem Vormittag in wunderbarem Türkis. Vor dieser Seite der Insel ist der gesamte Flachwasserbereich vor der Küste mit Perlfarmen gespickt (s. auch in den Karten weiter unten)
Mit dem Boot fahren wir rund 10 Minuten zu der auf Stelzen über dem flachen Wasser stehenden Perlfarm. Der Bootsführer schlängelt sich zwischen den allgegenwärtigen Korallenköpfen hindurch, gleichzeitig muß er den Weg zwischen schier unendlich vielen Bojen der Perlfarmen finden. Wenn man dann erst mal den Weg durch die Bojenfelder erreicht hat, ergeben sich klare Strukturen, wie die langen Bojenketten verlaufen.
Mit dem Arbeitsboot der Perlenfarm unterwegs
Die Bojenlinien der Perlenzucht sind hier gut erkennbar
Ankunft an der Perlenfarm; Stelzenhäuser auf dem Wasser, die nur der Arbeit dienen.
Auf der Perlfarm angekommen erklärt uns Mohea in sehr freundlichem und lockerem Stil die verschiedenen Etappen der Austernzucht und Perl-Produktion. Die Baby-Austern siedeln sich als Larven an Kunststoff-Puscheln an, dies geschieht hier ausschließlich in dem Bereich der Lagune vor Rikitea (s. Karte weiter unten).
Kunststofffasern mit Baby-Austern, wie sie nach 18 Monaten „geerntet“ werden.
Nach einem Jahr werden die jungen Austern von den Faserbäumen abgenommen, …
und in netzartigen Taschen auf den Arealen der Farmen ausgebracht, dort dürfen sie weiter wachsen.
Nach ca. drei Jahren, wenn die Austern groß genug sind, wird ihnen ein runder Nukleus aus Muschelschale mitsamt einem Stückchen Austernlippe eingepflanzt.
Der Nukleus wird von der Auster als Fremdkörper erkannt und sie beginnt, zur Abwehr eine Perlmuttschicht drumherum zu bilden. Das gleichzeitig implantierte Stück Austernlippe sorgt für die besondere Farbe der Perle. Dafür werden Lippen der von Natur aus besonders farb-intensiven Austern verwendet. Für diese besondere Zucht werden seit Anfang der 1960er Jahre Austern der Gattung „Pinctada margaritifera“ genutzt.
Hier auf den Gambier Inseln finden sie besonders gute Bedingungen vor. Schwarze und farbige Perlen werden, von wenige Ausnahmen abgesehen, fast ausschließlich in Französisch Polynesien gezüchtet. Die Farbpalette reicht von Schwarz, Grau, Silber über Rosa und Aubergine bis hin zu Grün und Blau schimmernden Perlen.
Der Zeitraum vom Implantieren des Nukleus bis zur Ernte der Perle dauert 18 Monate. Der komplette Produktionszyklus, vom Ausbringen der Fanggeräte für Baby-Austern bis zur Ernte der Perlen, dauert ca. fünf Jahre. In dieser Zeit betreiben die Perlenzüchter einen unglaublichen, primär händischen Arbeitsaufwand, um die Austern in jedem Stadium des Wachstums korrekt und ausreichend zu pflegen. Wir sind extrem davon beeindruckt, was die Menschen hier leisten! In nur rund 65 % der Austern entwickeln sich für den Handel geeignete Perlen. Und in nur fünf bis sechs Prozent dieser Ausbeute entstehen Perlen der allerbesten Qualität.
Diese Karte zeigt das Kerngebiet der Gambier-Islands:
Im Vergleich dazu eine Vergleichskarte, welche die von Perlenfarmen genutzte Fläche des Gambier-Atolls zeigt:
Rosa = Flächen für den Fang von Baby-Austern.
Orange = Flächen für die Aufzucht der Perlen.
Blaue Flächen = Offizielle Schifffahrtswege.
Der Vergleich dieser Karten verdeutlicht sehr nachdrücklich, welche Bedeutung die Perlenzucht in den Gambier-Inseln hat.
Wir dürfen schließlich aus einer großen Netztasche jeweils eine Auster auswählen und diese (unter Anleitung) ein kleines Stück öffnen. Das geht ganz schön schwer.
Mohea übernimmt dann und schaut nach, ob sich eine Perle in der Auster befindet. Wir haben Glück, in jeder der ausgewählten Muscheln zeigt sich eine Perle. Schon bei den wenigen Exemplaren unserer Gruppe wird das breite Spektrum an Farben und Formen sichtbar. Dietrich und ich erfreuen uns jeweils über eine anthrazit-metallisch schimmernde Perle.
Wenn die Auster gesund ist, wird ihr ein neuer, etwas größerer Nukleus eingepflanzt. Dieser Prozess kann bis zu dreimal pro Auster wiederholt werden. Die Perlen werden nach jeder Implementierung eines Nukleus ein wenig größer.
Die mit so viel Arbeit gewonnenen Perlen werden abschließend nach international definierten Standards qualifiziert und sortiert. Die vier Kriterien sind – in dieser Folge nach Relevanz aufsteigend:
– Die Größe einer Perle,
– die Reinheit bzw. Gleichmäßigkeit der Oberfläche,
– der Glanz der Oberfläche und
– die Form der Perle (je gleichmäßiger rund, desto besser).:
Ist eine Perle also perfekt rund, hat aber kleine Riefen an der Oberfläche, wird sie nicht zur Topkategorie AAA gehören.
Natürlich bietet Mohea auch Perlen zum Kauf an. Mit dem neu gewonnenen Hintergrundwissen über die aufwendige Perlenzucht betrachten wir die Perlen mit noch größerer Ehrfurcht und suchen ein paar besonders hübsche Perlen für uns aus.
Zum Verständnis für die Perlenzucht gehört auch die Tatsache, dass die wild lebenden „schwarzen Austern“ unter strengem Artenschutz stehen und somit die Jagd, das Tauchen nach ihnen, die Ausbeutung und der Handel von natürlichen Perlen dieser Art streng verboten sind. Da im Schnitt nur eine von zehntausend natürlichen Austern eine Perle erzeugt, hätte der fehlende Artenschutz verheerende Folgen für diese Spezies. Die gezüchteten Perlen sind mit Hilfe von Röntgenaufnahmen und durch den implantierten Nukleus relativ einfach von den natürlichen zu unterscheiden.
Nach diesem beeindruckenden und lehrreichen Erlebnis werden wir von Mohea und ihrem Team mit dem Boot an Land und mit dem Auto wieder zurück nach Rikitea gebracht.
Abends treffen wir zufällig unsere französischen Nachbarn beim Dinghi-Anleger und gehen mit ihnen und einer weiteren französischen Bootsbesatzung in dem kleinen Snack-Restaurant essen. Alle sprechen gut englisch und es ergibt sich ein sehr netter Austausch unter Boots-Nachbarn. Auch die Nachbarn von dem Boot auf der anderen Seite neben uns sind schon seit vielen Jahren in Französisch Polynesien unterwegs. Für französische Segler ist diese wohl der seglerische Sehnsuchtsort schlechthin. Genau wie heute Vormittag auf dem Perlfarm-Ausflug alle anderen Gäste (unabhängig voneinander) französische Touristen auf einer mehrmonatigen Reise durch FP waren, wie Französisch Polynesien hier sinnvoller Weise abgekürzt wird. Klar, den Franzosen ist dieses paradiesische Archipel viel näher als uns, wir sind ein bisschen neidisch.