
Omoa auf Fatu Hiva
Am nächsten Tag haben wir den Eindruck, dass MACARENA alle Richtungen am Anker ausprobiert hat und sicher liegt. Wir machen das Dinghi klar und fahren in den kleinen Anlande-Hafen. Hier liegen nur wenige Fischerboote, vertäut mit Heckleinen zu Bojen. Auch hier im Hafen gibt es noch ordentlich Schwell. Die Kaikante ist etwa einen Meter über uns und MACARONI schwappt mit viel Schwung darauf zu und wieder zurück. Schnell raus. Dietrich zieht sich mit der Vorleine auf die Pier. Ich ziehe MACARONI an dem Festmacher eines Fischerbootes von der Pier weg und mache unsere Achterleine an dem anderen Festmacher fest. Dann zieht Dietrich MACARONI wieder zur Pier, es reicht gerade so, dass ich aussteigen kann. Aber so ist MACARONI nun mit gutem Abstand zur Pier festgemacht und wir brauchen uns nicht zu sorgen, dass das Dinghi an der Pier aufgerieben wird.
An Land bestaunen wir als erstes die örtlichen Hightech Ausleger-Kanus, die im Stil der klassischen Vorbilder aber mit Highend-Werkstoffen gebaut sind. So etwas hatten wir hier nicht erwartet. Es stellt sich jedoch heraus, dass mit diesen Booten heiß umkämpfte Regatten gefahren werden.
Außerdem werden wir gleich am Hafen von traditionellen Tiki-Figuren begrüßt.
Gleich nebenan gibt es einen sehr modernen, neuen Festplatz für das Dorf, der von einem überdachten Rundweg mit traditionell verzierten Säulen und Tiki’s umrahmt ist.
Tiki Figuren sind ein wichtiges Kulturgut in Französisch-Polynesien. Sie stellen als Reliefs oder Statuen „menschliche oder halb-göttliche Figuren dar, die in vielen polynesischen Kulturen vorkommen, besonders auf den Marquesas-Inseln. Tikis symbolisieren oft: Urahnen oder mythische Vorfahren, Gottheiten oder Schutzgeister, Fruchtbarkeit, Stärke oder spirituelle Kraft (Mana). Tiki-Figuren stehen oft an heiligen Orten wie Marae (zeremoniellen Plattformen) oder an Eingängen, um vor bösen Geistern zu schützen. Die übertrieben großen Augen, die blockartige Haltung und das konzentrierte Gesicht sollen Stärke, Wachsamkeit und Schutz ausdrücken.“ (Quelle ChatGPT)
Wir schlendern die beschauliche Dorfstraße entlang. Die Wohnhäuser sehen einfach, aber sehr gepflegt aus, umgeben von großen Gärten, in denen üppige Bäume die verschiedensten Früchte tragen. Riesige, grüne Pampelmusen, Mangos, Rambutan, Limetten, Avocados und Brotfrucht sehen wir und natürlich jede Menge Bananen und Kokosnüsse. Außerdem viele blühende Sträucher und Bäume, deren Früchte wir erst später mit Hilfe von Google identifizieren können. Wow, eine schier paradiesische Fülle!
Wir werfen einen Blick in die sehr hübsche, helle und einladende Dorfkirche…
und gehen dann zum Bürgerbüro, wo wir unseren Touristen-Obolus entrichten.
Schild am Bürgerbüro der Insel. Sinngemäß übersetzt: Für die Gemeinschaft der Menschen aus Fatu Hiva.
Und ein modernes Emblem der Gemeinde, welches wir an den modernen Kanus gefunden haben. Tradition und Moderne sind hier in keiner Weise ein Widerspruch sondern gehen völlig selbstverständlich Hand in Hand.
Nebenan spielt Musik, hier beginnt gerade ein Dorffest in der Sporthalle. Wir werden sehr freundlich empfangen, können ein leckeres Mittagessen erstehen und beobachten eine Zeitlang das Treiben. Auf Dauer ist uns die Musik jedoch viel zu laut und wir ziehen weiter. An der Straße hatten wir einige Mangobäume mit sehr großen Früchten daran gesehen. Dietrich geht fragen, ob wir dem Besitzer Mangos abkaufen können und bekommt drei riesige Früchte geschenkt. Toll!
Wir laufen weiter die Dorfstraße hinauf. An einem Garten bewundern wir die großen Pampelmusen, die Besitzerin ist gerade da und lädt uns sehr nachdrücklich ein, hereinzukommen und eine Frucht zu probieren. Da können wir natürlich nicht nein sagen. Schon sitzen wir auf der Veranda von Lucie und Noel und kosten von der hervorragenden, süßen Pampelmuse. Noel schnitzt an uns unbekannten Nüssen (wie wir erfahren: Temanu), aus denen er Ketten fertigt. Wir kommen in´s Gespräch und er erzählt uns, dass er einer der Kunsthandwerker des Ortes ist und unter anderem auch Tiki’s schnitzt. Bingo, das hatten wir nicht geahnt.
Auf unsere Nachfrage hin holt er geschnitzte Holzmasken hervor, wunderschöne Arbeiten aus poliertem Palisanderholz. Wir sind sofort fasziniert. Lucie zeigt uns, das sie „Tapas“ herstellt. Davon hatten wir schon gelesen, diese Tapa-Stoffe sind auch ein sehr spezielles Kunsthandwerk der Marquesas. Der Stoff wird aus der Rinde von bestimmten Bäumen hergestellt. Dafür wird die Rinde aufgeweicht, flachgeklopft und zu Tüchern verarbeitet, die dann bemalt werden. Sie werden für besondere Feierlichkeiten und Zeremonien gefertigt und heute natürlich auch als Souvenirs. Keine Frage, wir suchen uns eine wunderschön geschnitzte Maske und zwei Tapas aus. Das sind sehr authentische und schöne Souvenirs, die ganz sicher nicht aus China importiert sind.
Nach getätigtem Kauf überschlagen sich Lucie und Noel fast darin, uns Obst zu schenken. Sie haben noch einen Nutzgarten, den müssten wir unbedingt sehen und uns dort mit Obst eindecken. Gemeinsam laufen wir ein paar Hundert Meter weiter und queren den kleinen Fluß.
In einem großen Garten stehen Kokospalmen, Limetten- und Grapefruitbäume und vieles mehr.
Eine Ziege und mehrere Schweine sind angepflockt. Noel hat neben einer großen Machete auch eine Axt zur Hand, mit der er Kokosnüsse spaltete, um damit die Schweine zu füttern. Wir beobachten die Szenerie, als es plötzlich im Gebüsch hinter uns mächtig knackt und sich eine Bache mitsamt sechs Frischlingen ihren Weg durch das Unterholz bahnt. Mit freudigem Gequieke laben auch sie sich an den Kokosnüssen. Das sind wohl Schweine aus der Nachbarschaft und anscheinend große Kokos-Fans. Noel beobachtet die Schweinebande schmunzelnd und schlachtet noch eine weitere Kokosnuss, damit alle satt werden. Alles sehr entspannt.
Wir müssen unbedingt noch die reifen Rambutan probieren und bekommen noch eine Brotfrucht und ein paar frisch gepflückte Avocados mit auf den Weg. Die Tasche mit all dem Obst ist so schwer, dass wir sie zu zweit tragen und unterwegs mehrmals die Seiten tauschen müssen. Gerne hätten sie uns auch noch eine Staude Bananen mitgegeben, aber an Bord hängt ja noch eine halbe Staude von den Gambier Inseln, damit haben wir noch einige Zeit zu tun.
Noel und Lucie, großzügige und überaus freundliche Gastgeber.
Diese große Menge an leckeren Lebensmitteln haben wir schlicht geschenkt bekommen – einfach so!
In der Nachbarschaft wird Vanille angebaut, es duftet ganz wunderbar. Wir bestaunen die Pflanzen und kaufen auch ein kleines Päckchen Vanilleschoten. Allerdings sind die Preise für Vanille selbst hier exorbitant hoch. Es steckt aber auch eine Menge Handarbeit in diesen Produkten. Die Einheimischen können ihre Produkte unten im Kulturzentrum verkaufen, wenn das Versorgungsboot (alle 6 Wochen) kommt und sich Touristen auf die Insel verirren. Oder die Produkte werden über Händler in Tahiti vertrieben. Reich wird hier niemand – so zumindest ist unser Eindruck.
Der Tourismus auf Fatu Hiva ist nicht besonders ausgeprägt. Einen Flughafen gibt es nicht, die Insel ist nur per Boot zu erreichen. Aktuell liegen 7 Segelyachten in den beiden möglichen Ankerbuchten. Auf Fatu Hiva leben rund 600 Menschen, davon ca. 200 im Hauptort Omoa. Ein sehr beschauliches Leben auf der Basis von Selbstversorgung. Die Menschen, die wir treffen sind unglaublich freundlich und wirken sehr friedlich, glücklich und zufrieden. Kein Wunder, bei der paradiesisch üppigen Vegetation. Fatu Hiva war 1937 das Ziel der ersten Expedition Thor Heyerdahls, er und seine Frau haben damals für rund 8 Monate in einem entlegenen Tal gelebt und Forschungen über Ethnologie, Botanik und Archäologie betrieben. Die Marquesas liegen außerhalb des Zyklongürtels und sind von größeren Naturkatastrophen verschont. Heute hat über Mobilfunk und Handys natürlich auch hier die Moderne ihren Einzug gehalten.
Zurück am Hafen finden wir unser Dinghi unversehrt vor, jedoch völlig anders angebunden. Das Fischerboot, an dessen Leine wir uns festgemacht hatten, ist verschwunden und die Fischer haben MACARONI freundlicherweise an ihrer Boje neu festgemacht. Nur… der Abstand zur Pier ist deutlich größer als zuvor und viel zu weit, als das wir eine Chance hätten, das Schlauchboot mit einem Schritt oder Sprung zu erreichen. Glücklicherweise liegt noch ein weiteres Segler-Dinghi im Hafen und der Besitzer ist auch gerade angekommen. Er gestattet mir, über sein Dinghi in MACARONI überzusteigen und die Achterleine zu lösen. Dietrich zieht das Dinghi an die Pier und wir laden all unsere Schätze an Bord.
Zurück auf MACARENA verstauen wir das ganze Obst und unsere Souvenirs und sind völlig geflasht von all den Eindrücken und Erlebnissen des heutigen Tages. Wir wollten uns ja nur mal ein bisschen umschauen…