Saint Lucia
Dienstag, 24.01.2023
Port Elizabeth / Bequia – Chastanet Bay / St. Lucia
Der Wecker klingelt um 05.30 Uhr, wir kochen schnell einen Kaffee für das Frühstück unterwegs, machen Macarena klar und legen mit dem ersten Dämmerlicht ab. Die ganzen Tage über, die wir in Bequia an der Mooring gelegen haben, hatten wir ordentlich Wind, der im Rigg gepfiffen hat. Das hat ein bischen genervt. Heute erkennen wir, wie gut die Ankerbucht tatsächlich geschützt war. Kaum sind wir um das Kap nördlich der Bucht gebogen und im offenen Bereich zwischen Bequia und St. Vincent, weht es mit über 25 Knoten Wind und es stehen gut 2,50 m Welle. Der „Bequia Chanel“ bildet zwischen den beiden Inseln eine Düse für den Wind.
Wir haben die Segel vorsichtshalber sowieso nur im 1. bzw. 2. Reff gesetzt. Der Wind greift das erste Mal in die Genuaschot und paff, fliegt die Schot weg und das Segel schlägt wild im Wind. Na toll, dass hat uns gerade noch gefehlt, die Backbord-Genua-Schot ist gerissen. Wir drehen, suchen einen etwas geschützteren Bereich in der Abdeckung der Insel und lassen die Genua mit der Steuerbord-Schot back stehen. So kann ich die Backbord-Schot wieder einfädeln und am Schothorn befestigen. Alles geritzt. Aber das war natürlich schon ein Adrenalin-Schub am frühen Morgen. Selber schuld, wir hatten es ja schon vor einiger Zeit entdeckt, dass die Backbord-Schot durch die langen Phasen, in denen wir bei der Atlantik-Passage den Spi-Baum auf der Schot aufgesetzt hatten, dort eine Scheuerstelle hatte. Nur – man kommt einfach nicht gut dran an die Schot. Wenn das Segel aufgerollt ist, ist das Schothorn mit den Schoten daran so hoch, dass man keine Chance hat, die Schot zu erreichen. Um die Genua vor Anker auszurollen um den Schaden zu beheben, war immer zu viel Wind. Und beim Segeln waren wir im Wesentlichen auf Backbord-Bug und die Schot war im Einsatz. Außerdem war ja auch immer viel Welle. Kurz und gut, wir haben das Problem gesehen, aber nicht gelöst. Heute war´s dann so weit: Wir haben die Quittung für unsere Lässigkeit, oder besser Nachlässigkeit, bekommen.
Wir frühstücken unterwegs und fahren unseren Adrenalinspiegel langsam wieder runter. Im nördlichen Bereich des „Bequia-Chanel“ sehen wir den regelmäßigen Blas zweier Wale, die uns entgegenkommen. Die Atem-Fontänen steigen jeweils rund 2 Meter aus der welligen See, sehr faszinierend.
Hinter St. Vincent dreht der Wind durch die Ablenkung der hohen Berge immer weiter nördlich und kommt direkt von vorn. So können wir nicht mehr segeln, wir lassen das Großsegel stehen und nehmen die Maschine zur Unterstützung dazu. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass wir ziemlich dicht unter der Küste fahren können und so die wilde Landschaft St. Vincents erleben. Im Norden sind die Berge sehr steil, der höchste Gipfel ist rund 1.400 Meter hoch. Tiefe Schluchten schneiden in die Flanken der grünen Steilhänge, wir sehen einige sehr schroffe Täler mit Bachläufen, in denen Geröll- und Steinlawinen bis ins Meer gespült wurden.
Dann lassen wir St. Vincent hinter uns und segeln hart am Wind Richtung St. Lucia. Auch hier ist die Passage zwischen den Inseln sehr windig, die Welle gut 2,50 m hoch. Gegenan ist das nicht so lustig. Zwischendurch erwischen uns auch einige Schauerböen mit 25 bis 28 Knoten Wind. Wir sind dann doch sehr froh, als wir die Passage geschafft haben und in die Abdeckung von St. Lucia kommen.
Der Süden der Insel wird beherrscht von den beiden Pitons, zwei kegelförmige, steile Berge, die dicht beieinander stehen und das Wahrzeichen der Insel sind.
Zwischen den beiden Pitons gibt es eine tolle Bucht, hier liegen einige Moorings, an denen Boote festmachen können. Das Ankern ist hier aus Gründen des Schutzes des Meeresbodens nicht mehr erlaubt. Der Anblick der Boote vor der Kulisse der Pitons ist wirklich atemberaubend schön, der höhere der Pitons ist 777 m hoch, die steile Küste ragt fast senkrecht aus dem Wasser.
So schön, so beliebt. Leider sind bereits alle Mooring-Plätze belegt, es gibt keinen Platz mehr für uns. Bei der Suche nach einer Mooring entdecken wir ein eher seltenes Spielzeug an einer Motoryacht dieser Größe: Eine Wasserrutsche.
Ein Mooring-Man will uns zu einer Boje in der Nachbarbucht führen und fährt mit seinem Boot voraus.
In der Nachbarbucht liegt die Stadt Soufriere, im Süden erstreckt sich ein schöner Strand, auf der Nordseite erhebt sich eine kleine Steilküste. Unserem Mooring-Man scheint aufzufallen, dass auch hier vor dem Strand alle Moorings bereits belegt sind. Er lässt nicht locker und findet schließlich die letzte noch freie Mooring direkt vor der Steilküste für uns. Aber die Sache hat einen Haken, in Form eines Felsens, der ziemlich nah an der Mooring knapp vom Wasser überspült ist. Das ist uns zu heikel. Wenn der Wind dreht, besteht die Gefahr, dass Macarena auf den Felsen getrieben wird, der Abstand ist uns zu gering. Sehr schade, wir hätten jetzt gerne unsere heutige Fahrt beendet und es wird auch bald dunkel.
Aber es hilft ja nix, auf zur nächsten Bucht. In der Chastagnet-Bay gibt es eine kleine Hotelanlage mit dezenter, naturnaher Bungalow-Bebauung, hier liegen 4 Moorings vor einem kleinen Anleger.
Und es ist bislang nur 1 Mooring belegt. Juchuh, nix wie hin! Aber, es ist wirklich nicht leicht, die Mooring-Boje einzufangen. Ich probiere es mit unserem trickreichen Mooringhaken, ohne Erfolg. Zweiter Anlauf mit dem Bootshaken, auch nicht. Die Leinen der Mooring haben sich so eng um die Boje gelegt, dass ich weder mit dem einen noch dem anderen Haken dahinter komme. Im dritten Versuch nimmt Dietrich den langen Bootshaken. Damit kommt er an die Mooring ran, kann sie aber nicht halten. Und dann ist es so, wenn die Mooring am Haken zieht, wird es nahezu unmöglich, den Haken wieder los zu bekommen. Dafür müsst man ja noch mal einige Zentimeter nachgeben, aber wenn der Arm zu Ende ist, geht das schlecht. Ein Fluch, ein Platsch, der große, hölzerne Bootshaken landet im Wasser. Zum Glück: er schwimmt und hält sich senkrecht im Wasser. Hm, was jetzt? Dietrich mobilisiert wieder seine Helden-Eigenschaft, hüpft aus den Klamotten und springt ins Wasser. Jetzt hat er den Haken und die Mooring im Griff. Das ist ja schon mal prima, aber er soll ja auch wieder zurück an Bord. Ich platziere Macarena vorsichtig in Luv der Mooring und lasse uns auf Dietrich und die Mooring zutreiben. So kann ich am Bug eine Leine übergeben, die Dietrich an der Mooring befestigt. Ein zugegebenermaßen eher unkonventionelles Mooring-Manöver, aber ein erfolgreiches!
Dietrich kommt wieder an Bord, ich gehe auch noch mal baden und wir genießen den Sonnenuntergang vor einer traumhaften Strandkulisse. Das war ein langer Tag, wir haben 55 Seemeilen gegen den Wind gut gemacht.
Mittwoch, 25.01.2023
Chastanet Bay / St. Lucia – Marigot Bay / St. Lucia
Nach dem langen Schlag gestern wollen wir es heute etwas ruhiger angehen lassen. Unser Ziel ist Rodney-Bay am Nordende St. Lucias. Das sind rund 20 bis 25 Meilen von hier. Der Wind kommt natürlich auch wieder von vorn, wir segeln so hoch am Wind wie es Macarena in der Welle möglich ist.
Gestern haben wir einen abgescherten Schraubenkopf an Deck gefunden. Alles was wir gecheckt haben, war in Ordnung, bislang konnten wir weder an Deck noch am Rigg den Rest einer Schraube finden, dem dieser Schraubenkopf fehlt. Aber so etwas lässt einem natürlich keine Ruhe. Während wir dahin segeln und immer wieder in der Welle stampfen, schaue ich nochmal den Mast hoch. Ooops, da wackelt doch das Radar! Wenn Macarena in der Welle schwankt, schwankt auch das Radar mitsamt der Halterung vor dem Mast einige Zentimeter hin und her. Gar nicht gut! Wenn sich das Radar völlig löst und abstürzt, gibt es einen ordentlichen Schaden, das Gerät ist ziemlich schwer. Und was dabei mit den Kabeln und Elektroanschlüssen passiert, ist sicher auch nix Gutes.
Wir fallen ab, damit wir nicht so gegen die Welle stampfen und überlegen. Bis zu unserem Ziel, Rodney-Bay, wären es noch gut 10 Meilen gegenan. Das könnte dem Radar den Rest geben. Also entscheiden wir uns, in die querab liegende Marigot-Bay einzulaufen. Dort finden wir bestimmt einen Liegeplatz ohne Schwell, so dass wir das Radar wieder befestigen können. Wir steuern Macarena wie auf rohen Eiern und versuchen, die 2 Meilen bis Marigot-Bay mit so wenig Erschütterungen wie möglich zurückzulegen. Mit einer Welle von der Seite ist das nicht so einfach. Aber wir erreichen die Einfahrt in die sehr geschützte Bucht und das Radar ist noch an seinem Platz, uff, großes Aufatmen.
Der Preis für die Mooring ist nicht nur etwas unverschämt, aber das hatten wir schon geahnt. Die Bucht wird durch einen Palmen-bestandene Halbinsel in zwei Teile geteilt und ist sehr hübsch anzusehen. Hier gibt es eine Marina und mehrere Restaurants, die Bucht hat den Ruf, bei Nobelyachten und Partyvolk sehr beliebt zu sein. Das tolle für uns ist, dass wir hier nicht nur keine Welle haben, wir liegen nachmittags ab 16.00 Uhr auch noch im Schatten. Das ist hervorragend und eine große Erleichterung für die Arbeiten im Mast.
Wir bereiten alles vor, suchen einen zu dem abgescherten Schraubenkopf passenden Ersatz-Bolzen, das entsprechende Werkzeug und Dietrich zieht mich den Mast hinauf. Am Radar ist sofort klar, dass von den vier Schrauben, mit denen es auf seinem Träger befestigt ist, eine Mutter fehlt und zwei weitere locker sind. Aber diese Schrauben und Muttern haben ein ganz anderes Format, als der Schraubenkopf, den wir zu ersetzen hofften. Der abgescherte Schraubenkopf ist definitiv nicht vom Radar. Dietrich muß mich unverrichteter Dinge wieder hinablassen. Jedoch kann ich eine Muster-Schraube mitnehmen und wir stellen erneut ein kleines Reparatur-Set zusammen. Im zweiten Anlauf kann ich dann das Radar wieder befestigen und die Muttern zusätzlich kontern und sichern. Außerdem zieht Dietrich mich noch mal bis zur Mastspitze hinauf und ich kontrolliere den ganzen Mast, finde jedoch keine Stelle, die zu unserem Schraubenkopf passt. Dafür entdecke ich einen Riß am oberen Ende des Genua-Vorlieks, auch gut zu wissen, dann geben wir das Segel auf Martinique zum Segelmacher. Wir sind ja nun seit rund sieben Monaten unterwegs und das Segeln unter teilweise rauen Bedingungen bedeutet eben auch Verschleiß.
Noch während Elke im Mast arbeitet, zieht ein Regenschauer auf. Und kurz bevor er die Bucht erreicht, bildet sich über der Bucht ein vollständiger Doppelregenbogen. Das haben wir so auch noch nicht gesehen (s. Beitragsbild).
Mit dem Reparaturerfolg sind wir sehr zufrieden, aber noch ist das Rätsel um den Schraubenkopf offen geblieben. Im Laufe des Abends kontrolliert Dietrich dann noch mal alle großen Umlenkblöcke, die mit Verschraubungen befestigt sind. Und siehe da: Am Genua-Umlenkblock an Backbord ist der Schraubenkopf von einem Befestigungsbolzen abgeschert, das ist unser gesuchter Kandidat.