Nordsee

Nordsee

Mittwoch, 22.06.2022
Auslaufen Helgoland

Noch ein paar allerallerletzte Vorbereitungen, der Zoll will uns leider keinen Ausreise-Stempel geben und dann legen wir gegen Mittag auf Helgoland ab. Bald passieren wir die erste Reede, auf der rund 20 große Schiffe liegen und darauf warten, in den Hamburger Hafen zu können. Wir freuen uns, dass wir segeln können, das Wetter wird sonniger und es läuft. Endlich bleibt die ganze Hektik der letzten Wochen an Land hinter uns zurück.  Wir segeln!

Die Nacht passieren wir vor den ostfriesischen Inseln einen rot-blinkenden Windpark nach dem anderen. Vor Holland dann die erste Öl- oder Gasplattform, hell erleuchtet, tierisch hoch und stundenlang zu sehen.

Donnerstag, 23.06.2022
Zweiter Seetag Nordsee

Wir können fast den ganzen Tag herrlich segeln, eine leichte Backstagsbrise (3 bft) bringt uns mit rund 5 Knoten nach WSW voran. Ein sehr entspannter, sonniger Segeltag auf der Nordsee, wie schön!  Wir staunen über einige riesen-große Bohrinseln und Wind-Transformator-Stationen, aber es ist mehr als genug Platz für uns zwischen dem Verkehrstrennungsgebiet und den Windparks bzw. Plattformen. Im Dunst zieht die Queen Mary 2 vorbei, wir sind uns sicher, dass wir beneidet werden. Abends ist leider der Wind aus und wir müssen die Maschine wieder zur Hilfe nehmen.

Erste Versuche zur Bestimmung der Mittagsbreite mit unserem Sextanten:

Freitag, 24.06.2022
Dritter Seetag Nordsee

Noch ein ganz wunderbar entspannter Tag auf der Nordsee, teils schieben wir noch ein Stück mit der Maschine, aber dann können wir wieder segeln. Nach wie vor haben wir reichlich Platz zwischen dem Verkehrstrennungsgebiet und all den Bohrplattformen. Nachmittags nimmt der Wind zu, wir kreuzen auf. Lange Schläge, klappt alles prima. Zum schlafen liegen Dietrich und ich jetzt jedoch sicherheitshalber im Salon auf den Bänken mit Leesegeln. Vorne ist es zu laut und hat auch deutlich mehr Bewegung. Vorschiffs-Rodeo.

Samstag, 25.06.2022
Themse-Mündung – Ramsgate

Hatte ich mich beschwert, dass meine letzten Nachtwachen zu langweilig waren?
Als ich um kurz vor 24.00 Uhr hochkomme, um Günter abzulösen, ist es richtig schön bunt um uns herum. Ein Windpark steuerbord voraus, ein weiterer Windpark achtern, an Backbord das Verkehrstrennungsgebiet und rundum blinken Untiefentonnen. Na prima, denke ich, wir sind direkt vor der Themsemündung. Aber Macarena läuft ganz gut und so brettere ich guter Dinge in die ansonsten pechschwarze Nacht. Da, ein Frachter als AIS-Signal auf der Karte, aber in real nicht zu sehen. Oha, ich suche den Bereich ab, wo der Frachter sein müsste, aber da ist nur der Windpark zu erkennen mit jeder Menge roter und weißer Lichter. Irgendwo muss der Frachter doch stecken! Ich suche nach passenden Strukturen und nach langem Starren in die dunkle Nacht sehe ich tatsächlich 2 weiße und ein rotes Licht, die zusammengehören und sich langsam vor das Lichtermeer des Windparks schieben. Okay, Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Mittlerweile nimmt der Wind zu und rein rechnerisch könnten wir in 4 Stunden in Ramsgate sein. Oh nein, im Dunkeln will ich da lieber nicht einlaufen. Ich bin noch am überlegen, wie ich Macarena am besten bremsen kann, da nimmt der Wind immer weiter zu und das ist mir in diesem engen Gewässer und dieser dunklen Nacht nicht geheuer. Dietrich hilft mir, Genua und Groß zu reffen. Okay, damit ist die Geschwindigkeit erstmal passé, aber so sollten wir sicher durch die Nacht kommen. Dann nimmt der Wind erst auf 22 Knoten zu und dreht auf Süd. Ich falle ab und düse in Richtung Windpark. Aus Süden naht eine riesige, schwarze Wolke, die nichts Gutes ahnen lässt.  Der Wind nimmt weiter zu und schließlich habe ich 28 Knoten Wind aus einer Richtung, die ich wirklich nicht gebrauchen kann. Dazu kommt die Strömung, alles nicht so schön. Um das Ganze noch zu toppen, kommen nun auch noch Frachter aus dem Themse-Nebenfahrwasser und laufen genau in meinen Kurs. Ich passe eine Pause mit „nur“ 20 Knoten Wind ab und wende, damit ich mich vom Windpark freihalten kann. Toll, der neue Kurs über Grund läuft genau in der Gegenrichtung zu meinem bisherigen Kurs. Bei dem Wind kann ich nicht höher ran gehen und den Rest erledigt die Tidenströmung. Ein Frachter kommt von achtern auf und schiebt sich viel zu knapp an uns vorbei, aber okay, es passt. Da ich bei diesen Wetterverhältnissen nicht sinnvoll kreuzen kann, muss ich über das relativ flache Gebiet, dass dem Verkehrstrennungsgebiet vorgelagert ist. Dort sind nur 10 m Wassertiefe und die Wellen spielen ein bisschen verrückt. Macarena wird völlig ausgebremst und die vorher wilde Fahrt mit über 7 Knoten bremst runter auf 2 – 3 Knoten. Ich will wenden, komme aber mit der geringen Fahrt nicht durch die Wellen. Also rumpeln wir weiter in Richtung Verkehrstrennungs-gebiet. Ich habe mich im Cockpit mit dem Lifebelt eingepickt und klemme mich auf dem Steuersitz fest, die Wellen schwappen rechts und links von mir hoch, zum Glück sehe ich sie in der Dunkelheit nur schemenhaft. Die Jungs unten tun mir leid, die können bei diesem Getöse und den Bocksprüngen, die Macarena macht, sicher nicht schlafen.

Nachdem ich den flachen Bereich passiert habe, läuft Macarena wieder mit ordentlich Speed. Das geht auch nicht lange gut, vor mir beginnt das Verkehrstrennungsgebiet. Also passe ich eine Phase mit wenig Wind ab und wende bei „nur“ 24 Knoten Wind. Die Wende klappt, wir kommen rum, aber dann hat sich die Leeschot um die Luvschot gewickelt. Oh NO!! Das hat mir grade noch gefehlt! Da höre ich Dietrich von unten, er kommt zur Wachablösung, ich bin sehr erleichtert, bei diesen Bedingungen ist es gut, zu zweit an Deck zu sein. Wir halten Macarena auf Kurs und als es ein wenig hell geworden ist, kann ich nach vorne und die Genuaschoten enttüdeln. Schließlich kentert der Strom wieder und schiebt uns Richtung Süden, so können wir bei Hellem den Weg nach Ramsgate sicher segeln.

In Ramsgate angekommen, ist mittlerweile Günter auf Wache, wir finden einen geeigneten Liegeplatz, stoßen noch auf die erfolgreiche Überfahrt an und fallen dann in Tiefschlaf.

Nachmittags klarieren wir noch ein paar Dinge am Schiff, legen alles trocken, duschen, waschen Wäsche und erfreuen uns an den historischen Gebäuden und der netten Hafenatmosphäre. Abends gehen wir erst auf ein Bier in den sehr ehrwürdigen Royal Yacht Club und dann ausgesprochen lecker Essen, das Leben könnte nicht besser zu uns sein.

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