LAGOS – KANAREN

LAGOS – KANAREN

Nachtrag
Da wir auf See kein Internetzugang haben, hier unser Bericht ausnahmsweise einmal im nachhinein:

Dienstag, 25.10.2022
Lagos

Die letzten Vorbereitungen für die Überfahrt haben begonnen. Wir klappen die Räder handlich klein und packen sie in die Taschen (wie ging das noch mal?), bauen noch das reparierte Topplicht im Mast an, holen das letzte Update für´s Wetter und viele Kleinigkeiten mehr. Markus und Corina sind parallel bereits seit gestern am Einkaufen, vorkochen und einfrieren. Das ist super toll und entlastet uns sehr. Damit wir nicht mit all den Einkäufen mühsam über den Fischkutter an Bord klettern müssen, verabreden wir uns am Schwimmponton der Boots-Tankstelle, wo wir die Vorräte bequem an Bord bringen können. Wir müssen etwas warten, bis wir einen Platz für Macarena an der Tanke bekommen und dann sind wir sehr effektiv: 270 Liter Diesel, 200 Liter Wasser, Unmengen an Vorräten und schon mal ein paar schwere Taschen von unseren Mitseglern kommen an Bord. Danach verholen wir wieder längs an „unseren“ Fischkutter auf der Werft und Corina und Markus kommen abends an Bord. Wir sind komplett.

Mittwoch, 26.10.2022
Auslaufen Lagos

Wir genießen noch ein schönes, umfangreiches Frühstück zu viert an Bord. Nun noch die Türcode-Karten der Marina abgeben, den letzten Müll an Land bringen und dann heißt es „Leinen los!“. Wir legen ab und machen schnell noch ein Auslauf-Selfie (muß ja heute sein) bevor wir noch im Auslaufkanal das Großsegel setzen. Aus dem landgestützen Wohnwagen der letzten 14 Tage wird endlich wieder ein mobiles Segelboot.

Und dann empfängt uns vor Lagos schon mal eine unangenehme Schaukel-Welle. Na ja, hier ist das Wasser flach, draußen wird es bestimmt gleich besser…! Blöderweise wurde die Schaukel-Welle weiter draußen jedoch lediglich höher. Die gesamte Crew wird etwas blass um die Nase. Zu dem Schwell der vergangenen Tage aus Süd gesellt sich die aufbauende Windsee aus Ost. Wir können zwar mit rund 20 Knoten Ostwind gut gen Südwest segeln, aber das Geschaukel ist mächtig und chaotisch und fordert seinen Tribut an Rassmus.

Kurz nach Mittag lässt der Wind binnen weniger Minuten völlig nach und wir müssen die Maschine zur Hilfe nehmen. Wir umfahren noch das große Verkehrstrennungsgebiet vor Sagres und haben dann endlich freien Seeraum. Macarena läuft hervorragend unter Segeln und wir machen die Nacht über gut Strecke. In der sehr dunklen, mondlosen Nacht leuchten über uns sehr viele Sterne. Gleichzeitig beobachten wir Meeresleuchten in den Wellen, die an den Rumpf klatschen. Während der Nachtwache fällt mein Blick zufällig auf zwei leuchtende Objekte, die sich parallel zu uns bewegen. Ich brauche einen Moment um zu verstehen, es sind zwei Delfine, die ums Boot spielen und die eingehüllt und illuminiert sind von dem Meeresleuchten. Sozusagen unterwasserleuchtende Delfine, unfassbar toll!

Donnerstag, 27.10.2022

Nach einer recht unruhigen Nacht haben wir heute einen sehr schönen Tag auf See. Gegen Mittag treffen wir uns alle vier im Cockpit, alle haben sich etwas erholt und trauen sich, auch wieder feste Nahrung zu sich zu nehmen, die Stimmung ist prima. Die See ist mittlerweile „handzahm“ mit einer großen, langen Dünung und einer kleinen Windsee. Es weht mit 3 bis 4 Beaufort aus Südwest, die Sonne scheint, so macht das segeln wieder Spaß! Unser Etmal über die letzten 24 Stunden beträgt 126 Seemeilen, wir sind sehr zufrieden, sind ja schon weit gekommen.

Freitag, 28.10.2022

Blau, blau und nochmal blau! Nein, nein! Nicht das, was einem gleich in den Kopf kommt, sondern ein wunderbarer Tag auf See mit viel Sonne, angenehmen Temperaturen und einer spektakulären Aussicht. Wir sind begeistert von so einem tollen, intensiven, tiefen Blau und können uns an der Farbe kaum satt sehen. Corina und Markus testen die Wassertemperatur und halten von der Badeleiter aus die Füße ins Wasser, es ist wohl recht frisch.

Vormittags haben wir leider keinen Wind und lassen uns einfach treiben. Wenn schon Flaute, dann so! Wir nutzen die relative Ruhe im Schiff und freuen uns, Alltagsdinge, wie sich zu waschen, ohne allzu viel Seegang (und blauen Flecken) zu erledigen. Man wird recht bescheiden in seinen Ansprüchen.

Ab Mittag frischt der Wind wieder auf und wir können vom Feinsten segeln. Zumindest für ein paar Stunden, dann hat der Wind erstmal fertig. Diese Flaute nutzen wir, um in Ruhe zu kochen und zu essen. Abends klappt das Spiel dann leider nicht ganz so gut. Es kommt zwar etwas Wind auf, aber als wir mit Segel setzen fertig sind, müssen wir feststellen, dass der Wind nicht mehr ausreicht zum Segeln. Also nehmen wir die Segel gleich wieder weg und treiben weiter in der Dünung. Über Nacht sind die Wellenbewegungen dann zum Schlafen doch sehr unruhig, alles wackelt, unter Deck knarzt, knackt und klappert es in allen Ecken und Schränken.

Samstag, 29.10.2022

Als ich um 00.00 Uhr meine Wache übernehme, ist wieder Segelwind da. Ich setze die Segel und bin froh, dass sich Macarena wieder aus eigenem Antrieb bewegt. Die Schiffsbewegungen werden sofort smooth und auch unter Deck kehrt Ruhe ein, so dass alle anderen gut schlafen können. Der Wind ist leider nicht besonders stabil und ich muß ständig nachsteuern und weiter abfallen. Über die Stunden dreht der Wind so weit, dass wir zum Wachwechsel um 04.00 Uhr wenden und nach Südost ablaufen können. Genau zur richtigen Zeit, Corina und Markus haben in ihrer Wache Glück, der Wind nimmt wieder zu und dreht immer weiter, so dass wir bald wieder den Kurs Richtung Kanaren anlegen und fein segeln können.

Vormittags laufen wir bei schönstem Sonnenschein (blauer Himmel, blaues Wasser) und 10 Knoten Halbwind mit über 7 Knoten Bootsgeschwindigkeit Richtung La Palma. Es könnte kaum besser sein. Überschlägig haben wir mit 311 Seemeilen jetzt ein gutes Drittel der Gesamtstrecke Lagos – La Palma zurückgelegt.

Sonntag, 30.10.2022

Heute entdecken wir noch drei kleine Wale hinter uns. Einer ist erst sehr dicht an unserem Heck und schwimmt dann mit mehrmaligem Prusten weiter. Das müssen wir erstmal googlen, was das wohl für eine Art war. Wenn wir dann wieder Internet haben…

Ansonsten segeln wir äußerst angenehm Richtung kanarische Inseln, die Bedingungen sind bei leichten Winden sehr gut, feines segeln mit Sonnenschein und kurzer Hose.

Montag, 31.10.2022

Heute ist der sechste Tag auf See und wir haben uns schon richtig gut eingegroovt. Den (moderaten) Seegang empfinden wir als völlig normal, können alle mittlerweile sehr gut schlafen, haben uns an den Wachrhythmus, das kochen an Bord und die verschobenen Essenszeiten gewöhnt, das Bordleben wird zum Alltag. Bisher haben wir bereits 540 Seemeilen seit Lagos zurückgelegt, noch rund 260 Seemeilen direkte Distanz liegen vor uns.  Anhand der Wetterprognose können wir überschlägig sagen, dass wir vielleicht am Donnerstag auf La Palma ankommen, das ist ja gar nicht mehr lange. Schön, aber gleichzeitig auch irgendwie schade.

Und dann endlich: eine große Gruppe Delfine auch auf diesem Törn. Wir sehen vielleicht 10 bis 15 große Tiere, die allerdings in einigem Abstand hinter uns durchziehen. Zum Abschied springen drei Delfine, zwei davon bestimmt zwei Meter hoch aus dem Wasser. Wir applaudieren. Außerdem begegnen wir heute mehreren großen Schildkröten, die sich an der Wasseroberfläche sonnen. Sobald sie das Boot wahrnehmen, wachen sie wohl auf, schlagen einmal mit den Flossen und tauchen ab.

Abends haben wir einen wirklich spektakulären Sonnenuntergang, der verschiedene Wolkenschichten in fantastische Rot- und später Lilatöne färbt.

Ach ja, heute vor genau fünf Jahren haben wir Macarena in England gekauft. Sehr toll, dass wir unsere Segelträume nun realisieren können und schon ganz schön weit gekommen sind.

Dienstag, 01.11.2022

Nun haben wir endlich den vom Wetterbericht versprochenen und herbeigesehnten Nordostwind. Und nun können wir gar nicht so viel damit anfangen. Wenn wir den passenden Kurs Richtung La Palma steuern und die Segel entsprechend einstellen, dann haben wir die große Atlantikdünung so direkt von der Seite, dass Macarena unglaublich schaukelt. Die Dynamik des Schaukelns ist leider deutlich stärker als der reale Wind, so dass die Segel nur noch schlagen. Und es fühlt sich auch nicht gut an. Also müssen wir jetzt genauso vor dem Wind kreuzen, wie wir vorher gegen an gekreuzt sind. Das verlängert den Weg zum Ziel, auch wieder schade. Wir üben uns in Geduld und versuchen, die Winddrehungen so gut wie möglich zu nutzen, um unserem Ziel näher zu kommen.
Und sonst so? Sonnenschein und kurze Hose!

Mittwoch, 02.11.2022

Nord über Nordost bis Ost, raumschots oder vor dem Wind, anluven, abfallen, Schmetterlings-Segel, Genua ausbaumen: wir probieren alle Segelstellungen, nehmen alle Winddreher mit und schaukeln uns Richtung La Palma. Abends sehen wir das Leuchtfeuer Punta de Anaga auf der Nordspitze Teneriffas. Auf unserem Weg gen Westen sehen wir in der Nacht noch mehrere Stunden lang die Lichter an Land der Nordwestküste Teneriffas. Die Mondphase hat mittlerweile den Halbmond überschritten, die Nacht wird schön hell und es gibt ein tolles Licht auf dem Wasser.

Donnerstag, 03.11.2022

Kurz nach dem Mittag haben wir noch rund 30 Seemeilen bis La Palma und entdecken unter den Wolken vor uns einen dunklen Schatten, der die Insel sein könnte – oder nur eine dichtere Wolke? Wir schaukeln direkt vor dem Wind, Groß und Baumfock zu beiden Seiten im Schmetterlingstil ausgebaumt und mit den Preventern gesichert. Mit achterlicher Welle können wir unseren Kurs direkt auf den Hafen Santa Cruz de La Palma absetzen. Wir rechnen die Geschwindigkeit hoch, wenn wir so weiter laufen, kommen wir im letzten Tageslicht an. Alle halten intensiv Ausschau, ob das vermeintliche Land vor uns nun Insel ist oder Wolke. Irgendwann wird es eindeutig: es ist die Insel La Palma. Wir freuen uns sehr und müssen gleichzeitig lachen: wie wir hier sitzen und gespannt versuchen, das Land voraus zu identifizieren. Dabei ist die Insel noch so weit weg, das ist in etwa so, als würden wir aus der Kieler Förde auslaufen und sofort Ausschau halten, ob man Bagenkop in Dänemark schon sieht. Aber nach 9 Tagen auf See ist Land voraus natürlich etwas sehr Besonderes.

Und dann sind wir da und alles klappt wie am Schnürchen. UKW-Anruf beim Hafen, Einfahrtsgenehmigung erhalten, UKW-Anruf bei der Marina, das Einfahrtstor wird geöffnet (abgesenkt, interessante Technik), ein Zodiac lotst uns zum Reception-Pontoon, die Schiffsdaten werden aufgenommen und wir bekommen einen Liegeplatz am Steg B zugewiesen. Außerdem hat der freundliche Marinero noch zwei Zugangskarten zu den Duschen für uns. Viel mehr brauchts heute gar nicht mehr. Das wohlverdiente Anlege-Bier zischt ordentlich, wir sind alle sehr happy, das war eine wirklich sehr schöne Überfahrt. In unserem Kielwasser liegen 898 Seemeilen seit Lagos, 9 Tages- und 8 Nachtwachen für jeden. Wir sind schon ganz schön weit gekommen.

Freitag, 04.11.2022

Nach einer ruhigen, erholsamen Nacht fast ganz ohne Schwank genießen wir es, ausgiebig zu viert im Cockpit zu frühstücken. Danach ist Rein-Schiff angesagt, aufräumen und Wäsche waschen. Corina und Markus organisieren ihren restlichen Urlaub auf den Kanaren.

Die Marina gefällt uns recht gut. Der Hafen ist nicht so riesig, Stege und Anlagen an Land sind ziemlich neu und gut in Schuß, das Wasser ist super klar. Die Mitarbeiter sind sehr freundlich, direkt an der Pier gibt es ein paar kleine Restaurants, ansonsten ist die Stadt nicht weit, wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben. Im Gegensatz zu den großen Inseln der Kanaren ist es ziemlich ruhig und es sind längst nicht alle Liegeplätze belegt.

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