Das passende Schiff
Wann die Suche nach einem passenden Schiff für uns begonnen hat, können wir nicht so genau sagen. Denn wir haben nie gezielt gesucht! Es war ein Prozess, der sich – einfach so – in unser Leben geschlichen hat. Zunächst habe wir uns aus purer Neugierde über Segelschiffe ganz allgemein informiert. Mit welchem Schiff haben andere Segeler welche Erfahrungen gemacht, was ist praktisch, was gefällt uns rein optisch, was kommt gerade auf den Markt und ist in ein paar Jahren vielleicht als gutes Gebrauchtschiff zu haben? Mit solchen Gedanken haben wir den Bootsmarkt ledglich beobachtet: In den Häfen, in denen wir als Chartercrew unterwegs waren, auf der Messe „boot“ in Düsseldorf, auf den unterschiedlichsten Plattformen im Internet, in Zeitschriften und natürlich in vielen Gesprächen mit befreundeten Seglern und Crews, denen man hier und dort begegnet. Im Lauf der Jahre sind wir auch auf unterschiedliche Yachten gefahren und haben diese genauer kennen gelernt.
Worum geht es bei einer Fahrtenyacht?
– Sicherheit
– Handhabung
– Segeleigenschaften
– Komfort
Und was bedeutet das im Detail? Die nachfolgend genannten Kriterien haben sich für uns, ohne direkten Bezug zu einem bestimmten Schiffstyp, im Lauf der Zeit als wesentlich heraus kristalisiert.
Das Sicherheitspotential steht über allen anderen Kriterien. Es setzt voraus:
– Ein hohes aufrichtendes Moment in der Konstruktion
– Konstruktiv genügend Auftriebsreserven in Bug und Heck
– Grundsolide, stabile Bauweise (unabhängig vom Material)
– Ruder und Propeller geschützt durch Skeg,
– Seilschneider am Propeller
– Keine frei stehende Doppelruderanlage
– Keine (anfällige) Hubeinrichtung für Kiel oder Schwert
– Kutterstag (2. Vorstag) zur Stabilisierung des Mastes
– Ausreichend dimensionierte Stage und Wanten
– Sturmfock und Trysegel
– An der Sicherheitsausrüstung wird nicht gespart
Die Handhabung im Wachsystem mit 2 Personen:
– Einhand-taugliches Layout
– Roll-Vorsegel
– Mindestens 1 Elektrowinsch für MOB-Situationen
– Decks- und Cockpitlayout sicher und komfortabel
Die Segeleigenschaften:
– Komfortables Seeverhalten auch in schwerer See
– Das Schiff muss (z.B. in Legerwall) gut „Höhe am Wind“ laufen
– Das Geschwindigkeitspotential steht nicht im Vordergrund.
– Wir wollen reisen und nicht regattieren!
Der Komfort muss altersgerecht sein:
– Seegängige Innenausstattung
– Großzügige Kojen mit Leesegel
– WC, Dusche, Pantry m. genügend Platz
– Genügend Raum zum Wohnen
– Genügend Raum für Gäste
– Genügend Stauraum
Grundsatz:
– „Keep it simple but save“
– Alles was an Bord ist kann kaputt gehen
– Alles was nicht an Bord ist kostet kein Geld, geht nicht kaputt und braucht keinen Platz
So weit erst einmal zu unseren Vorstellungen für eine passende Yacht. Aber schon der Dichter und Karikaturisten Wilhelm Busch (1832–
Ganz konkret beschäftigen wir uns zum ersten Mal mit einem Schiffstyp, als unsere Freunde Kerstin und Helmut mit ihrem Schiff „Lop To“ im Dezember 2016 in Argentinien liegen. Auf Ihrem Weg nach Süden treffen Sie in Mar del Plata die Crew der „PELORUS JACK“ – eine Island Paket 45.
Im Bild: Ankerbucht in Patagonien. „Lop To“ links, „PELORUS JACK“ in der Mitte.
Sie schreiben uns (Zitat):
„Ach ja, und wir haben euer Schiff gefunden. Googelt mal Island Paket 45. Hier liegen sehr nette Kanadier mit einer schoenen Island Paket. „PELORUS JACK“ soll in drei bis vier Jahren in Neuseeland verkauft werden. Geflegt, mit allem ausgestattet und sehr gemuetlich. Vielleicht waere das ja was fuer euch?“ (Zitatende).
Island Packet? Von dieser Marke hatten wir noch nichts gehört. Aber wenn Helmut, ein zutiefst überzeugter Stahlschiff-Eigner mit damals schon 17 Jahren Langfahrt-Erfahrung auf dem Buckel, so etwas über ein GFK-Schiff sagt, dann soll das etwas bedeuten!
Also informieren wir uns zunächst einmal über die Werft und deren Schiffe – und staunen: Island Packet-Schiffe gelten als extrem langfahrttauglich und wertbeständig. Dennoch: Eine „Liebe auf den ersten Blick“ ist es nicht! Und auch die Preise für gebrauchte Island Packet-Schiffe bewegen sich oberhalb unseres Budgets. So weit, so gut. Wir sind um ein paar Informationen reicher und ahnen zu dieser Zeit nicht einmal im Ansatz, welche Folgen dieser Imformationsaustasch für uns haben wird.
Im Februar 2017 fliegen wir nach Neuseeland. Einen kurze Zwischenstopp in Auckland nutzen wir zu einem ausgiebigen Bummel durch den Hafen der „City of Sails“. Natürlich sind wir neugierig auf die unterschiedlichsten Schiffe, die diesen Hotspot für Fahrtensegler anlaufen. Welche Schiffstypen werden genutzt? Was ist an Ausrüstung an Bord? Sind Schwachstellen erkennbar? Und durch Zufall sehen wir zum ersten Mal eine Island Paket 45 im Original:
Wir schleichen drum herum: Kuttertakelung, Langkieler, ein sehr gutes Deckslayout für kleine Crews, breite Laufdecks, fünf Salinge an jeder Seite, ein gräumiges und dennoch sicheres Cockpit mit praxisgerecht angeordneten Winschen, Stehhöhe im Inneren. Wir sind ganz begeistert von diesem Schiff. Eine Besichtigung ist leider nicht möglich – schade aber nicht ganz so schlimm. Denn kaufen können und wollen wir zu diesem Zeitpunkt eh nicht. Aber wir sind infiziert. Dieser Schiffstyp begeistert uns von diesem Moment an.
Im Anschluss an unseren Aufenthalt in Neuseeland beobachten wir den Markt sehr entspannt weiter – weltweit. Drei Hotspots kristalisieren sich für den Handel mit Yachten heraus:
1) Europa mit seinem gigantischen Angeboten an Yachten die aus dem Chartergeschäft kommen.
2) Die Karibik, wo viele Langfahrten enden weil entweder schon hier die verfügbare Zeit um ist oder nach der Atlantik-Passage die Realität im Alltag der Segler dann doch nicht zum Traum von der Reise unter Segeln passt.
3) Neuseeland und Australien, wo viele Langfahrten planmäßig enden, weil entweder die Südsee besegelt und der Traum damit erfüllt ist oder die Segler den Sprung über den Indischen Ozean, alternativ die Fahrt durch das Rote Meer, entweder aus Mangel an Zeit oder wegen der zunehmenden Piraterie, scheuen.